Was ist Homöopathie?
„similia similibus curentur.“
„Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden.“ Was wie ein Zauberspruch aus den Harry-Potter-Romanen klingt, ist in der Realität ein Teil des homöopathischen Grundkonzepts, das wir hier kurz vorstellen möchten.
Brechnüsse helfen gegen Übergeben?
Dieses oben bereits beschriebene Grundkonzept ist einfach am Beispiel der Brechnuss (lat. Nux vomica, engl. vomit = übergeben) zu erklären. Ein Mittel, das die gleichen Symptome wie die zu behandelnde Krankheit auslöst, wird zur Heilung verwendet. In anderen Worten: Durch die Brechnuss muss man sich übergeben, also hilft sie auch dagegen. Der Erfinder der Homöopathie selbst, Samuel Hahnemann, wendet dieses Konzept, das schon bei den alten Griechen Anklang fand, auf alltägliche Situationen an und beschreibt so das Ähnlichkeitsgesetz als Lebensgesetz:
„Womit pflegt man in, von übeln Gerüchen angefüllten Oertern [=Orten], die beleidigten Nasennerven wirksam zufrieden zu stellen? Durch Schnupftabak, der den Geruchssinn ähnlich, aber stärker ergreift! Keine Musik, kein Zuckerbrod, die auf die Nerven andrer Sinne Bezug haben, würde diesen Geruchs-Ekel heilen.“ aus Gießler et al.: Leitfaden Homöopathie, 2. Auflage 2009, Elsevier Verlag, S.17 f., Nach: Hahnemann, Organon §26
Anhand dieses Zitats sei verdeutlicht, dass die klassische Homöopathie Regeln folgt, die auf Alltagsbeobachtungen vergangener Jahrhunderte beruhen. Arzneimittelforschung wird heutzutage anders betrieben. Ein Arzneimittel muss in einem langwierigem Testverfahren zuerst auf seine Unbedenklichkeit für den Menschen und dann auf seine bessere Wirksamkeit gegenüber bereits verwendeten Medikamenten getestet werden. Homöopathika genügen diesem Anspruch nicht.
Vis vitales, die Lebensenergie
Nach Hahnemann existiert in jedem lebenden Wesen eine Lebensenergie, die durch den negativen Einfluss schlechter Agens (lat. = das Wirkende) gestört wird.
„Alle solche krankhafte Verstimmungen (die Krankheiten) könne auch durch den Heilkünstler nicht anders von ihr [der Lebenskraft] entfernt werden, als durch geistartige (dynamische, virtuelle) Umstimmungskräfte der dienlichen Arzneien auf unsere geistartige Lebenskraft.“ aus Gießler et al.: Leitfaden Homöopathie, 2. Auflage 2009, Elsevier Verlag, S.19, Nach: Hahnemann, Organon §16
Demnach wirken Medikamente auf eine geistartige Lebenskraft, deren Nachweis die Homoöpathie uns schuldig bleibt. Pharmazeutische und medizinische Forschung fokussiert sich z.B. auf die Untersuchung von Stoffwechselprozessen, die bei einer Fehlregulierung zu einer Krankheit führen können. Oder es werden Antiinfektiva, Mittel gegen Erreger von Infektionskrankheiten, erforscht. Hier ein einfaches Beispiel: Penicillin ist ein Antibiotikum, das viele bestimmt aus dem Biologieunterricht kennen. Es hemmt spezifisch die Zellwandsynthese der Bakterien, die eine Zellwand besitzen. Penicilline wirken z.B. gegen den Erreger Clostridium tetani, der zu Tetanus führt, oder gegen Meningokokken, die eine Hirnhautentzündung verursachen können. Hier kann also sehr spezifisch eine Krankheitsursache benannt werden, die durch bestimmte Medikamente, die in klinischen Studien geprüft wurden, behandelt werden können. Eine solche Form der Arzneimittelprüfung existiert auch in der homöopathischen Lehre, jedoch folgt sie ganz anderen Regeln.
Die Arzneimittelprüfung
Während einer homöopathischen Arzneimittelprüfung werden Potenzen eines Stoffes an Gesunden getestet, die bestimmte Krankheitssymptome hervorrufen sollen. Eine Potenz ist in diesem Fall eine Verdünnung eines gelösten Stoffes. Häufig werden hierbei D-Potenzen verwendet. Eine Lösung nach D1 ist demzufolge 1:101 mit Wasser vermischt worden. In dieser geringen Verdünnung sind noch Teilchen der gelösten Verbindung vorhanden. Zum Beispiel wäre in dieser Potenz das Homöopathikum Arsenicum albicum (Arsen(III)-oxid) bei oraler Aufnahme tödlich. Deswegen werden bei dieser Arzneimittelprüfung hohe Potenzen eines Stoffes verwendet. Eine häufig gebrauchte Potenz ist D6, bei der der verwendete Stoff zu 1:106 verdünnt wird. Bei dieser Verdünnung übersteigt die Menge an Verunreinigungen im verwendeten Wasser die Anzahl der noch in der Lösung vorhandenen Teilchen der Urtinktur. Hierfür muss die Lösung zudem verschüttelt werden, d.h. sie muss pro Verdünnungsschritt mindestens 10-mal gegen einen Ledereinband geschlagen werden.
Wie sollen Homöopathika wirken?
Eine Metaanalyse zu der Wirksamkeit von Homöopathika im Lancet, einem der angesehensten medizinischen Journals weltweit, zeigte 2005, dass die Wirkung homöopathischer Mittel dem des Placeboeffekts entspricht. Hierbei wurden die Ergebnisse von 110 placebokontrollierten Studien zu verschiedenen Homöopathika mit der gleichen Anzahl von Studien zu der Wirksamkeit von konventionellen Arzneimitteln verglichen. Die Autoren Shang et al kommen dabei zu folgendem Ergebnis:
„Our results confirm these hypotheses: when analyses were restricted to large trials of higher quality there was no convincing evidence that homoeopathy was superior to placebo, whereas for conventional medicine an important effect remained. Our results thus provide support for the hypothesis that the clinical effects of homoeopathy, but not those of conventional medicine, are unspecific placebo or context effects.“
(Shang et al., 2005), Quelle: Shang, A., Huwiler-Müntener, K., Nartey, L., Jüni, P., Dörig, S., Sterne, J.A., Pewsner, D., Egger, M., 2005. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. The Lancet 366, 726–732.
Zu Deutsch:
“Unsere Ergebnisse bestätigen diese Hypothesen: Wenn Analysen auf große Versuche mit höherer Qualität begrenzt wurden, gab es keinen überzeugenden Nachweis, dass [die Wirkung von] Homöopathika [der Wirkung von] Placebos überlegen sind, wohingegen konventionelle Medizin einen bleibenden Effekt erreichte. Deswegen unterstützen unsere Ergebnisse die Hypothese, das die klinische Wirkung von Homöopathie, aber nicht die Wirkung konventioneller Medizin, eine unspezifische Placebo- oder Kontextwirkung ist. Shang et al. heben demnach hervor, dass homöopathische Mittel durch den Placeboeffekt wirken.”
In einer Stellungsnahme des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer werden Placebos als Scheinarzneimittel definiert, die keine pharmakologisch wirksame Substanz enthalten. Der Placeboeffekt ist der Effekt von Erwartung, Erfahrung und Arzt-Patienten-Beziehung. Einerseits kann der Placeboeffekt als unbewusster Lerneffekt erklärt werden, andererseits wird er auch als Erwartungseffekt des Patienten beschrieben. Ein Homöopathikum wirkt also nur über den Placeboeffekt, während ein konventionelles Arzneimittel, wie z.B. Penicillin, sowohl einen Placeboeffekt als auch einen spezifischen Effekt durch einen Wirkstoff besitzt. Auch einige pflanzliche Mittel wie z.B. Johanniskraut werden in der konventionellen Medizin verwendet und haben einen spezifischen Effekt. Deswegen ist es mir wichtig hervorzuheben, das Homöopathika keine pflanzlichen Wirkstoffe enthalten können, da sie in den häufig verwendeten hohen Potenzen zu stark verdünnt sind, um pharmakologisch wirken zu können.
Die Geschichte der Homöopathie bis heute Die Medizin des 18. Jahrhunderts
Um Hahnemanns Konzept der Homoöpathie besser verstehen zu können, lohnt es sich, einen Blick auf die Medizin seiner Zeit zu richten. Denn Ende des 18. Jahrhunderts gab es die Medizin, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht. Viele verschiedene Konzepte von Gesundheit, der Behandlung von Krankheit oder gar von Wissenschaft an sich kursierten im akademischen Diskurs. Ein beliebtes und weit verbreitetes Konzept war das der Humoralpathologie, die oft auch Vier-Säfte-Lehre genannt wird. Demnach entstehen Krankheiten aus einem Ungleichgewicht von vier Säften des menschlichen Körpers: Blut, schwarze und gelbe Galle sowie Schleim. Diese Idee ist über 2.400 Jahre alt und wird dem griechischen Arzt Hippokrates und seinen Schülern zugeschrieben.
Zellularpathologie
Die damalige Medizin war viel stärker durch Glauben und Aberglauben geprägt als heutzutage und zahlreiche biomedizinische Grundlagen waren noch nicht entdeckt worden. Theorien wie die Vier-Säfte- Lehre waren teils rein spekulativ oder basierten auf Einzelfallbetrachtungen. Erst vor fast 200 Jahren entwickelte der deutsche Arzt Rudolph Virchow die Zellularpathologie nach Ideen seiner Vorgänger. Folgt man der Zellularpathologie, ist die Zelle der kleinste lebende Teil eines Organismus und somit zeigen sich Krankheiten ebenso in der Veränderung dieser Zellen.
„Unter dem Mikroskop des Biologen löst sich alles Lebende in kleine Elemente auf. […} haben wir gezeigt, daß diese kleinen Elemente, die Zellen, die eigentlichen Herde des Lebens und demnach auch der Krankheit, die wahren Träger der lebendigen, pflanzlichen oder tierischen Funktion sind, an deren Existenz das Leben gebunden ist. […] Das Leben residiert also nicht in den Säften als solchen, sondern nur in den zelligen Teilen derselben.“ aus:
http://www.pathologie.uni-wuerzburg.de/en/geschichte/virchow_in_wuerzburg/forschung/zellularpathologie/erstpublikation/
(aufgerufen am 08.05.2016)
Diese Zellularpathologie Virchows legte die Grundlagen für unser heutiges Verständnis von Krankheiten und deren Behandlung.
Die Kritik Samuel Hahnemanns
Doch dieses Konzept existierte zu Hahnemanns Zeit noch nicht. Eine von dem um 200 n. Chr. lebenden griechischen Arzt Galen überarbeitete Vier-Säfte-Lehre war damals ein aktueller Grundsatz der Krankheitsvorstellung und -therapie. Demnach war es Ziel einer Behandlung die krankheitsverursachenden Körpersäfte aus dem Organismus zu entfernen, u.a. durch Aderlass oder Erbrechen. Diese wenig spezifischen Maßnahmen schwächten Erkrankte zusätzlich und konnten so den häufig tödlichen Verlauf verbreiteter Infektionskrankheiten wie Cholera noch verschlimmern. Die Kritisierung dieser Prozeduren ist ein Verdienst Samuel Hahnemanns. Seine Thesen stellte Hahnemann in seinem Gesamtwerk, dem Organon der Heilkunde, dar. Dessen Erstauflage erschien 1810 in Deutschland. Für eine weitere Verbreitung der Homöopathie sorgten Schüler Hahnemanns und zahlreiche Laienvereine, deren Anzahl sich seit den 1870er Jahren schlagartig erhöhte.
Die Entwicklung der Homöopathie nach Hahnemann
Unter den Nationalsozialisten wurde der Deutsche Verein Homöopathischer Ärzte gleichgeschaltet und staatlich unterstützt. Nach Ende des zweiten Weltkrieges fand die Homöopathie in der BRD als alternative Heilmethode unter Laien wieder Popularität. In der DDR wurden zwar homöopathische Arzneimittel hergestellt, jedoch folgte im Jahr 1961 eine öffentliche Ächtung. Seit der Wiedervereinigung besitzt die Homöopathie eine steigende Beliebtheit. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach haben im Jahr 2014 60% der Befragten (1.503 Personen über 16 Jahre) angegeben, homöopathische Mittel zu verwenden. Mit der Bekanntheit stieg auch das wissenschaftliche Interesse, jedoch distanziert sich z.B. die Medizinische Fakultät der Universität Marburg in ihrer Marburger Erklärung im Jahr 1992 von der Homöopathie und verwirft sie als Irrlehre. Der wissenschaftliche Beweis einer spezifisch pharmazeutischen Wirkung von Homöopathika blieb bis heute aus.
Homöopathie international
Bereits in den 1830er Jahren wurde Homöopathie auch in England und Indien praktiziert. In den USA wurden im gleichen Zeitraum zahlreiche homöopathische Colleges für die Ärzteausbildung gegründet. Trotzdem erfuhr dort die Homöopathie Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund des wissenschaftlichen und damit auch medizinischen Fortschritts ihren Niedergang. Durch pharmazeutische Forschung und die stärkere Subspezialisierung der Medizin wurden Therapien noch spezifischer.
Homöopathie heute in Deutschland
Verschiedene im weitesten Sinne im Gesundheitssystem arbeitende Berufsgruppen üben hierzulande eine mehr oder weniger an Hahnemann angelehnte Homöopathie aus. Unter anderem auch Ärzte. Um sich in Deutschland Facharzt oder Fachärztin nennen zu dürfen, muss man nach Abschluss des Abiturs 6 Jahre an einer Universität studieren und danach 4 bis 5 Jahre in einer Klinik eine Facharztausbildung machen. Als Facharzt darf man nur als Homöopathiker tätig sein, wenn man hierzu eine Weiterbildung besucht. Laut Wikipedia gab es im Jahr 2009 6.712 Ärzte mit dieser Zusatzbezeichnung, 2015 wurden durch die Bundesärztekammer jedoch insgesamt 371.300 berufstätige Ärzte in Deutschland gezählt. Demnach praktiziert nur ein sehr kleiner Anteil Homöopathie (1,8%). Auch Heilpraktiker dürfen diese Zusatzbezeichnung führen. Jedoch ist die Ausbildung zum Heilpraktiker nicht staatlich geregelt. Um sich Heilpraktiker nennen zu dürfen, muss man mindestens einen Hauptschulabschluss erworben haben, älter als 25 Jahre sein sowie ein polizeiliches Führungszeugnis und ein ärztliches Attest vorzeigen. Zudem muss man einen mündlichen und schriftlichen Test zu medizinischen Grundlagen ablegen. Laut einer Schätzung des statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2011 gibt es in Deutschland ca. 35.000 Heilpraktiker. Auch sogenannte Heiler sind homöopathisch tätig. Der Begriff Heiler ist in Deutschland nicht geschützt, d.h. jeder darf als Heiler Homöopathie, aber auch andere nicht evidenzbasierte Methoden, anwenden. Zusammenfassend lässt sich eine interessante Entwicklung der Homöopathie von einer Theorie als Alternative und Kritik der Vier-Säfte-Lehre zu einer Heilmethode, deren Heilkraft sich nachgewiesenermaßen auf die Wirksamkeit des Placeboeffekts beschränkt, nachzeichnen.
Was soll denn an Zuckerkügelchen gefährlich sein? Was ist denn an Homöopathika kritisch zu sehen? Es sind doch nur harmlose Zuckerkügelchen. Sie wirken zwar nicht, aber wirklich schaden kann das Ganze doch nicht, oder?
Diese Fragen haben wir uns gestellt, als wir das erste Mal mit diesem Thema konfrontiert wurden.
Am 5. Februar 2011 fand die durch die GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) organisierte Aktion 10:23 in über 30 Staaten statt [1]. Hierbei wurden Überdosen von homöopathischen Mitteln eingenommen, um deren Unwirksamkeit zu demonstrieren. Im Fernsehen wurde auf mehreren Sendern von dieser Aktion berichtet.
Statt herkömmlicher Medikamente Homöopathika einzunehmen ist bei kritischen Erkrankungen potentiell tödlich.
Bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs ist die alleinige Einnahme dieser Mittel nicht empfehlenswert. 2006 starb die Australierin Penelope Dingle an Komplikationen eines metastasierten Rektumkarzinoms, da sie sich an die Anweisungen ihrer Homöopathin hielt und auf die chirurgische Entfernung des Karzinoms verzichtete. Stattdessen erfolgte eine Behandlung mittels Vitaminkuren, Diäten und Homöopathika [2]. Die meisten VerwenderInnen von homöopathischen Mitteln würden wahrscheinlich im Fall einer lebensbedrohlichen Erkrankung auf eine evidenzbasierte Medizin vertrauen. Jedoch gibt es immer wieder traurige Einzelfälle wie Penelope Dingle, die aus nachvollziehbarer Angst und Verzweiflung auf ein Wunder durch Alternativmedizin hoffen. Und hier gilt es aufzuklären und zu warnen, damit Menschen in Todesangst keine falschen Hoffnungen gemacht werden.
Bis heute fehlt ein Wirksamkeitsnachweis für homöopathische Mittel.
Der National Health and Medical Research Council der australischen Regierung bestätigte diese Kritik im März 2015 in einem Positionspaper:
„There was no reliable evidence from research in humans that homeopathy was effective for treating the range of health conditions considered: no good-quality, well-designed studies with enough participants for a meaningful result reported either that homeopathy caused greater health improvements than placebo, or caused health improvements equal to those of another treatment“ (National Health and Medical Research Council, 2015, S.6, siehe [3]).
Deutsch: Die Forschung an Menschen hat keinen zuverlässigen Beweis erbracht, dass Homöopathie in der Behandlung einer Reihe an Krankheiten effektiv ist: keine qualitativ hochwertige, gut designte Studie mit genügend Teilnehmern für ein aussagekräftiges Resultat zeigte, dass Homöopathie eine größere Gesundheitsverbesserung verursachte als Placebo oder andere Behandlungen. Der National Health and Medical Research Council empfiehlt letztendlich, dass Homöopathika weder bei chronischen, schweren noch bei Krankheiten, die einen potentiell schwerwiegenden Verlauf entwickeln können, angewendet werden sollten [3]. Hier auf eine homöopathische Medikation zu vertrauen ist also nicht sinnvoll und zögert schlimmstenfalls eine ärztliche Behandlung hinaus.
Nicht-evidenzbasierte Alternativmedizin wird auf eine Ebene mit evidenzbasierter Medizin (EBM) gestellt.
EBM wird auch gerne abwertend Schulmedizin genannt, obwohl sie wenig mit dem auswendig gelernten Wissen aus verstaubten Schulbüchern gemein hat. Die Wirksamkeit der EBM muss in aufwendigen Studien bewiesen werden. Die Zulassung von neuen Medikamenten in Deutschland und Europa ist komplex. Hierbei muss das Medikament zuerst an wenigen gesunden Probanden, bei Unbedenklichkeit mit wenigen Kranken und im letzten Schritt mit vielen Erkrankten erprobt werden [4]. Für homöopathische Mittel gelten laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht die gleichen Anforderungen. Sie müssen nur registriert werden [5]. Medikamente müssen auf ihre Wirksamkeit, ihr Nebenwirkungsspektrum, eine empfohlene Dosierung, Kontraindikationen und mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten hin untersucht werden. Das hierauf bei homöopathischen Mitteln verzichtet werden kann, weist daraufhin, dass von diesen Mitteln weder eine große Wirkung noch Nebenwirkung zu erwarten ist.
Auch Zuckerkügelchen können teuer sein.
Aufgrund der großen Nachfrage bieten viele private und auch einige gesetzliche Krankenkassen die Übernahme der oder eine Zuzahlung zu Kosten für homöopathische Mittel. Da Krankenkassen um die Gunst potentieller Mitglieder konkurrieren müssen, versuchen sie sich mittels dieser Zuzahlungen attraktiver für mögliche Kunden zu machen. Gesetzliche Krankenkassen (GKV) finanzieren sich aus dem Gesundheitsfond, der sich primär aus den Beiträgen der Versicherten speist. Das bedeutet, dass die finanziellen Mittel einer Krankenkasse begrenzt und vom Steuerzahler abhängig sind. 2014 haben in Apotheken und im Versandhandel verkaufte homöopathische Mittel einen Umsatz von 528 Millionen Euro erreicht [6]. Für Fertigarzneimittel mit monoklonalen Antikörpern gaben die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2010 circa eine Milliarden Euro und die privaten Krankenkassen im Jahr 2011 105,2 Millionen Euro aus [7]. Monoklonale Antikörper sind Proteine, die spezifisch an zelluläre Strukturen binden können, und so u.a. in der Therapie von Krebs und Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden [8]. Laut Fojo und Grady kostete 2009 die Behandlung gegen Lungenkrebs mit dem Antikörper Cetuximab in einem Zeitraum von 18 Wochen durchschnittlich 80.000 US-Dollar [9]. Das wissenschaftliche Institut der privaten Krankenversicherungen (PKV) schreibt zu den Kosten monoklonaler Antikörper: „Die monoklonalen Antikörper leisten einen überproportionalen Beitrag zum Anstieg der Arzneimittelausgaben in der PKV. Von 2006 bis 2011 sind die PKV-Ausgaben je Versicherte für diese Präparate um 255 % gestiegen, während die Arzneimittelausgaben je Versicherten insgesamt nur um 19 % zunahmen. […] Ein zunehmender Altersschnitt in der Bevölkerung lässt für sich genommen bereits weitere Ausgabenerhöhungen erwarten. Die grundsätzlich positiv zu sehende Entwicklung innovativer Behandlungsmöglichkeiten sorgt auf Kostenseite für neue Herausforderungen“ (Wild, WIP 2012, S.25, siehe [6]) Hiermit sei hervorgehoben, dass neue und innovative Medikamente sehr teuer sind und man es sich im Hinblick auf die begrenzten Mittel der GKV sehr genau überlegen muss, ob Homöopathika mit Kassenbeitragen finanziert werden sollten. Außerdem entkräftet dies zumindest etwas das Argument vieler Homöopathie-Befürworter, die der Pharmaindustrie Profitgier vorwerfen. Denn auch homöopathische Mittel sind nicht kostenlos.
Durch eine häufige Anwendung von Homöopathika wird die Pathologisierung meistens harmloser Wehwehchen gefördert.
Werbung für Homöopathika zielt häufig auf harmlose Beschwerden ab. Besonders werden hierbei Frauen und Kinder in Angriff genommen. So beginnt der Kontakt mit der Homöopathie für viele Frauen in der Schwangerschaft. Hall et al. haben 2010 in einer Übersichtsarbeit gezeigt, dass Hebammen häufig alternative Methoden z.B. zur Entspannung oder bei Rückenschmerzen anwenden [10]. Hierbei wird jedoch genau das Betrieben, dass Homoöpathen gerne der Schulmedizin vorwerfen. Kurz auftretende und nicht schwerwiegende Beschwerden werden überbehandelt. Der Patient oder die Patientin lernt, dass er oder sie nur eine Pille nehmen muss, daraufhin lassen die Symptome nach. Dass die Beschwerden häufig von alleine verschwinden, wird außer Acht gelassen. Die positive Haltung besonders der Hebammen zu Alternativmedizin wurde in einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2008 zum Impfstatus und zur Haltung zum Impfen der Hebammen in Deutschland hervorgehoben. Es wurde dargestellt, dass Hebammen, die eine Fortbildung zu Alternativmedizin besucht haben, signifikant seltener Impfungen befürworten und diese damit eher nicht Eltern empfehlen [11]. Personen, die Impfungen ablehnen, lassen sich logischerweise selbst weniger häufig impfen. Impfungen sind jedoch wichtig um eine Herdenimmunität zu entwickeln, denn geimpfte Personen werden nicht zum Wirt des Erregers und können erschwert Ungeimpfte anstecken. Hierfür muss jedoch eine ausreichende Anzahl an Personen geimpft werden. Vor allem Babys, die zu jung für eine Impfung sind, profitieren von diesem Schutz vor Infektionskrankheiten mit potentiell schweren Komplikationen.
Zusammenfassung
• Homöopathika sind bei banalen Beschwerden sinnlos und verzögern bei schwerwiegenden Erkrankungen eine ärztliche Behandlung.
• Es erfolgt eine Pathologisierung leichter Symptome, die eigentlich nicht oder nur gering behandelt werden müssen.
• Diese Pathologisierung beginnt häufig schon in der Schwangerschaft, wobei alternativmedizinisch geschulte Hebammen eher Impfungen ablehnen. Dies kann die Haltung der Eltern zum Impfen negativ beeinflussen.
• Homöopathika sind nicht billig und bedeuten für deren Hersteller ein Millionen-Geschäft. Das von Krankenkassen für Homöopathika ausgegebene Geld wäre in neue innovative Medikamente für schwerst erkrankte Personen deutlich besser investiert. Der Schaden, der durch diese Mittel entsteht, ist nicht auf dem ersten Blick zu fassen. Deswegen ist es auch so wichtig Freunde und Bekannte aufzuklären, die nicht verstehen, wieso man denn um ein paar Globuli so ein Aufhebens machen kann. Hoffentlich wisst ihr jetzt auf die Frage „Was soll den an Zuckerkügelchen gefährlich sein?“ zufriedenstellende Antworten.
von Elisa Tackmann
Quellen:
Buch: Natalie Grams – Homöopathie neu gedacht
Springer Spektrum 2015 https://de.wikipedia.org/wiki/Hom%C3%B6opathie (abgerufen am 05.05.2016)
http://www.aerzteblatt.de/archiv/47087 (abgerufen am 05.05.2016)
http://www.pathologie.uni-wuerzburg.de/en/geschichte/virchow_in_wuerzburg/forschung/zellularpathologie/ (abgerufen am 05.05.2016)
Ärztestatistik: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Statistik2015/Stat15AbbTab.pdf (abgerufen am 05.05.2016)
Destatis: https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00010420/2120731117004.pdf;jsessionid=C278E29650E70337A61C7F4318B1773A
(abgerufen am 05.05.2015) Teut, M., Dahler, J., & Lucae, C. (2008).
Koch, U.: Kursbuch Homöopathie. Kapitel 12 – Eine kurze Geschichte der Homöopathie Umfrage zur Homöopathie durch das Institut für Demoskopie Allensbach, http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/rezepte/article/871563/umfrage-homoeopathie-weiter-trend.html (abgerufen 05.05.2016)
http://www.aerzteblatt.de/archiv/90137 (abgerufen 05.05.2016)
Gießler et al.: Leitfaden Homöopathie, 2. Auflage 2009, Elsevier Verlag
Martin Lambeck: Homöopathie: Wo bleiben die Nobelpreise? GWUP, 17. Mai 2010, abgerufen am 20. April 2016.
http://www.seilnacht.com/Chemie/ch_arsen.htm, abgerufen am 24. April 2016
[1] GWUP – Die Skeptiker – Verbraucher in Deutschland und Österreich inszenieren homöopathische „Überdosis” (accessed June 2, 2016)
[2] The Australian. Cancer death puts homeopathy in dock. (accessed June 2, 2016)
[3] NHMRC INFORMATION PAPER. Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions (accessed June 2, 2016)
[4] Vfa. So entsteht ein neues Medikament (accessed June 2, 2016)
[5] BfArM. Arzneimittelzulassung (accessed June 2, 2016) [6] Statista. Phytopharmaka und Homöopathika – Umsatz in Deutschland 2014 | Statistik. (accessed June 2, 2016)
[7] Wild F. Ausgabensteigerungen bei Arzneimitteln als Folge von Innovationen, WIP 2012 (accessed June 2, 2016)
[8] Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft.einblick Waffen des Immunsystems Ausgabe 1/2010 (accessed June 2, 2016)
[9] Fojo T, Grady C. How Much Is Life Worth: Cetuximab, Non–Small Cell Lung Cancer, and the $440 Billion Question. J Natl Cancer Inst 2009;101:1044–8. doi:10.1093/jnci/djp177.
[10] Hall HG, McKenna LG, Griffiths DL. Midwives’ support for Complementary and Alternative Medicine: A literature review. Women Birth 2012;25:4–12. doi:10.1016/j.wombi.2010.12.005.
[11] RKI. Epidemiologisches Bulletin 21/2008 Impfstatus sowie Einstellung und Verhalten von Hebammen zu Impfungen – Ergebnisse einer Querschnittsstudie (accessed June 2, 2016)
Zum Weiterlesen:
Videoreihe zu Grundbegriffen der evidenzbasierten Medizin des Cochrane Instituts: http://www.wissenwaswirkt.org/grundbegriffe-der-ebm-teil-1-evidenzbasierte-medizin-video (abgerufen am 05.05.2016)
Pressemitteilung zum Start des Informationsnetzwerks Homöopathie: http://blog.gwup.net/2016/02/01/das-netzwerk-homoopathie-die-offizielle-presseerklarung/commentpage-3/