Strohmann-Argument

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Dem Gegenüber wird in einer Diskussion ein Standpunkt unterstellt, den diese Person gar nicht vertritt. Damit entstehen falsche Prämissen, die zu einem Fehlschluss führen. Anstatt beim eigentlichen Inhalt der Debatte zubleiben, werden genau diese angeblichen Positionen/Argumente diskutiert und “widerlegt”. Ein fiktiver Gegner (Unterstellung) also, den man anstelle des eigentlichen Gegners (Diskussionsinhalt) bekämpft. Der Begriff geht auf Strohpuppen zurück, die z.B. beim Fechttraining als Übungsgegner genutzt werden.

Wie funktioniert es?

Statt einer realen Position wird vom Gegenüber ein Standpunkt erfunden, welcher dann mehr oder weniger aufwändig “widerlegt” wird. Dieser entspricht in der Regel nicht dem, was tatsächlich vertreten oder gesagt wurde, sondern ist grob vereinfacht oder verzerrt, manchmal auch komplett frei erfunden (letzteres ist eine besonders böswillige Variante). Man kann damit mühelos seine Gegner*innen dem Spott preisgeben, lächerlich machen oder scheinbar radikalisieren. Da der Strohmann ein fiktiver Diskussionsgegner ist, der sich in der Diskussion nicht wehren kann, lassen sich die zu verwendenden Argumente fast beliebig auswählen oder sogar frei erfinden. Es kommt bei dieser Taktik darauf an, das Gegenüber argumentatorisch so “an die Wand zu nageln”, dass dieses augenscheinlich keinen sinnvollen Zug in der Diskussion mehr tun kann, der die Lage verbessert.

Der Strohmann ist eine relativ einfache Technik, die trotzdem oft effektiv ist und z.B. auch in Boulevardmedien angewendet wird.

Ein paar Beispiele

Es gibt verschiedene Varianten, dem Gegenüber einen Strohmann unterzuschieben. Dabei unterscheiden sich diese in der Art des erfundenen Standpunkes. Nachfolgend ein paar häufig auftretende Versionen. 

Die Verzerrung / Übertreibung

Dabei wird das gegnerische Argument übertrieben, verzerrt oder sogar komplett falsch wiedergegeben. Dem Gegenüber wird also ein Argument untergeschoben, das er nicht wirklich vertritt. Dabei wird die These oft ins Lächerliche gezogen, um sie angreifbarer zu machen. Dann wird dieses Argument widerlegt und damit suggeriert, dass das eigentliche Argument des Gegenübers damit auch widerlegt sei.

A: “Ich find sonnige Tage toll.”
B: “Aha, du willst also, dass es nie mehr regnet und Dürre und Hungersnot über uns hereinbrechen? Das ist grausam.”

Konstruierte, schwache Argumente

Hierbei werden dem Strohmann besonders schwache Argumente in den Mund gelegt, die sich besonders leicht widerlegen lassen. Andere Argumente werden bewusst ignoriert und damit auch der Eindruck erweckt, die ursprüngliche These sei widerlegt worden.

A: “Der Klimawandel wird zu einem Ansteigen des Meeresspiegels führen.”
B: “Wenn ein Eisberg schmilzt, nimmt das Schmelzwasser genau so viel Platz ein, wie der Eisberg vorher verdrängt hat.
Daher wird durch ein Abschmelzen der Eisberge der Meeresspiegel nicht steigen.”

Scheinbare Analogien

Hier werden Vergleiche zur gegnerischen These angeführt, die sich leicht widerlegen lassen. Auch hier wird also nicht mit dem eigentlichen Gegner, sondern mit dem Strohmann diskutiert, dessen fiktive Argumente widerlegt werden.

A: “Wir sollten mehr Geld in Bildung investieren.”
B: “In der heutigen Zeit sollte man auf keinen Fall die Militärausgaben kürzen, das wäre leichtsinnig!”

Fragwürdige Ansichten

Es wird anstelle des gegnerischen Arguments eine Person angegriffen, die angeblich typisch für die vorgebrachte These ist. Dieser fiktive und wehrlose Gegner wird dann entsprechend beschrieben, widerlegt und damit instrumentalisiert.

A: “Ich setze mich für den Tierschutz ein.”
B: “Aha, du bist also einer dieser Fanatiker, die uns alle zu Zwangsveganern machen und Mückensprays verbieten wollen?”

Was bewirkt die Strategie?

Ein Strohmann verhindert die inhaltliche Auseinandersetzung durch Entgleisenlassen (Derailing) der Diskussion. Der Strohmann ist keine besonders ausgefeilte Technik, sondern vielen, auch rhetorisch nicht geschulten Menschen leicht zugänglich und somit ein sehr häufiges Werkzeug. Gleichzeitig löst sie beim Gegenüber in der Regel den natürlichen Reflex aus, sich zu verteidigen, zu rechtfertigen und die Unterstellung zu widerlegen. Der Strohmann ist auch eng verwandt mit dem falschen Dilemma (False Dichotomy) und kann in diesem Kontext eingesetzt werden (“es gibt entweder die vernünftige, sinnvolle Position – oder den Strohmann, den ich dir unterstelle!”)

Warum ist sie so gefährlich?​

Lässt man sich auf das Widerlegen eines Strohmannes ein, wird es sehr schwer, noch einmal zum ursprünglichen Gegenstand der Diskussion zurückzukehren. Das Thema wurde gewechselt, die Rollen im Gespräch sind einander nicht mehr ebenbürtig: Statt gleichberechtigten Austauschs von Argumenten herrscht nun eine Asymmetrie/ein Machtgefälle. Die Person, der der Strohmann unterstellt wurde, wird so in eine argumentatorische Ecke und Verteidigungshaltung gedrängt. Je nach Inhalt des Strohmannes kann die Diskussion stark emotional oder gar beleidigend werden.

Wenn es sich nicht um einzelne Gespräche handelt, sondern um gezielte Medien-Kampagnen, kann die ganze öffentliche Debatte verzerrt werden. Hier kommt dann auch noch häufig eine starke Emotionalisierung zum Tragen, indem der angebliche Strohmann als besonders verwerflich oder schädlich gezeichnet wird.

Was tun, und was nicht?
  • Sei gewappnet: Der Strohmann kann überall lauern. Rechne damit, und identifiziere ihn, ehe er zum Gegner aufgebaut wird. 
  • Weise den Strohmann zurück. Er entspricht nicht deiner Position, und du solltest frühzeitig verhindern, dass er mit dir in Verbindung gebracht wird, damit dieser angebliche Standpunkt sich gar nicht erst festsetzen kann. 
  • Es schadet in einer öffentlichen oder halböffentlichen Debatte nichts, das unsachliche Verhalten des Gegenübers aufzuzeigen, um Zuhörende oder Mitdiskutierende aufzuklären
  • Der Strohmann kann auch auf einem echten Missverständnis oder fehlender Erfahrung in Diskussionen/Debattenkultur beruhen. Wenn diese Möglichkeit besteht, hilft oft eine sachliche Klarstellung und eine Verständigung darüber, was die jeweiligen Positionen sind. 
  • Auf keinen Fall: Rechtfertigen oder aus falsch verstandener Opposition zum Gegenüber den Strohmann übernehmen. Es ist nicht deine Position, also musst du sie dir nicht unterstellen lassen.
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Dieser Artikel erschien auch auf unserer Projektseite zur AfD, daher haben wir hier für dich die Sharepics von dort (gesichertrechtsextrem.de).

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